Göttinger Wut-Bürger

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Das Busnetz in Göttingen soll angepasst werden und ab November 2014 reformiert an den Start gehen. Letzten Montag, am 21. Oktober, fand in der wp:Paulinerkirche (Göttingen)|Paulinerkirche ein so genanntes Bürgerforum statt, bei dem die Göttinger sich über das Vorhaben von Verkehrsplanern und Göttinger Verkehrsbetrieben (GöVB) informieren konnten.

Um 17 Uhr ging es los, der Alfred-Hessel-Saal war gut gefüllt. Der Moderator hatte gleich zu Beginn angekündigt, dass in einem späteren Teil jeder seine Meinung in Kleingruppen einbringen kann und so jeder zu Wort kommt. Kommentare aller Art sollten in Kleingruppen gesammelt werden. Doch zuvor stellten sich alle Anwesenden vor. Dazu klopfte der Moderator bestimmte Gruppen (GöVB-Mitarbeiter, Vertreter von Parteien oder Verbänden, Mitglieder des Fahrgastbeirats usw.) ab und die entsprechenden Zuhörer sind aufgestanden.

Dann hat Herr Zimmermann von den GöVB dargestellt, warum eine Modernisierung des Liniennetzes nötig sei. Viele Faktoren hätten sich in den letzten Jahren – man arbeite schon seit 1997 am neuen Netz – verändert. Seit 2006 habe sich beispielsweise die Nachfrage wie folgt geändert:

Region Veränderung
Altdorf Geismar −20 %
Geismar Süd −15 %
Grone Süd −13 %
Uni Nord +140 %
Zietenterrassen +25 %
Bovenden +21 %
Rosdorf +25 %

Daneben habe sich vor allem auch eine zeitliche Verlagerung gezeigt. Die Menschen kämen vor allem zum Einkaufen in die Stadt. Das Busangebot müsse also auf längere Ladenöffnungszeiten und eine unter anderem damit verbundene stärkere Nachfrage am Samstagnachmittag reagieren. Außerdem gebe es ohnehin ein anderes Freizeitverhalten.

Drittens hätten die Kunden einen Anspruch auf schnelle Reiseketten. Diese könnten durch verstärkten Einsatz von Busspuren, Systemen der wp:ÖPNV-Bevorrechtigung| oder optimiertere Linienwege realisiert werden, allerdings seien dazu oft aufwändigere Baumaßnahmen besonders an der Straßeninfrastruktur nötig.

Eine bessere Anbindung des Bahnhofs an das Liniennetz sei erforderlich, weil Göttingen täglich etwa 33.000 Einpendler und 8.000 Auspendler zu bewältigen habe, von denen eine Vielzahl mit der Bahn ankomme. Zuletzt nannte Zimmermann noch den demografischen Wandel als einen Faktor für die Netzüberarbeitung. So gäbe es weniger Schüler, auf der anderen Seite aber mehr Ältere und Mobilitätseingeschränkte mit ihren jeweils spezifischen Bedürfnissen.

Die Konkreten Veränderungen hat dann Frau Engelmann, Verkehrsplanerin bei der GöVB, vorgestellt. Zumindest hat sie es versucht. Als sie nämlich sagte, dass sie nur die wichtigsten Änderungen ansprechen könne, um so das Gesamtkonzept vorzustellen, und dass sie deshalb nicht jede Linie einzeln zu besprechen in der Lage sei, regten sich Protest und Widerstand.

Einige aus dem Publikum bölkten durch den Raum, dass sie nur gekommen seien, um über ihre Linie und die damit verbundenen persönlichen Änderungen zu diskutieren (es ging wohl weniger um Information) und – platt gesagt – zu meckern. Als es im Publikum immer lauter wurde, mahnte der Moderator zu mehr Respekt und Verständnis dafür, dass Frau Engelmann zunächst die Pläne vorstellen wolle. Zumal nicht alle Zuhörer den gleichen Wissensstand hätten und somit Informationen unumgänglich seien.

Sofort wieder das Publikum: »Was ist mit uns? Dann sollten Sie aber auch uns gegenüber Respekt zeigen!« Also wirklich, das ist mir unbegreiflich. Was ist so schlimm daran, einfach noch ein paar Minuten zu warten, um dann anschließend in Ruhe sein Anliegen vorzutragen? Sinn dieses Bürgerforums war ja, dass Interessierte sich einbringen können und ihre Anregungen geprüft werden und vielleicht sogar umgesetzt werden können. Kann man sich dann nicht mal eine halbe Stunde zurückhalten? Muss der Moderator erst darum bitten, »etwas sanfter mit uns« zu sein?

Nach einer Weile konnte Frau Engelmann dann weitermachen und hat nochmal auf die verlagerte Nachfrage verwiesen: Schwerpunkte gebe es im Nordbereich der Universität und im Klinikumsbereich (großer Arbeitgeber!). Außerdem sei im Waldweg ein neues Gesundheitszentrum entstanden, sodass der Waldweg auch stärker und direkter angebunden werden solle. Ebenso solle es zu den Zietenterrassen einen Viertelstundentakt geben. Am Kauf Park solle in Zukunft jede Linie, die dort vorbeifährt, auch halten. Weiters wolle man mehr Fahrten durch das Industriegebiet Nord anbieten, weil dort mit Sartorius und den Göttinger Werkstätten auch große Arbeitgeber ansässig seien. Neu entstehen soll ein Stadtteilverkehr in Weende (Linie 33). Von 6 bis 8 Uhr morgens sollten die meisten Fahrten über den Bahnhof gelenkt werden, um den Pendlern gerecht zu werden, wobei einzelne Linien (8 und 13) sowohl den Bahnhof als auch die Innenstadt bedienten. Weil keine neuen Leistungen finanziert werden könnten, müssten man an anderen Stellen Reduktionen vornehmen. Das betreffe vor allem das Ostviertel und Geismar Süd, wo sogar einige Haltestellen wegfallen sollten.

Selbstverständlich blieb das seitens des Publikums ebenfalls nicht unkommentiert. Doch jetzt, wo es spannend werden sollte und in den Kleingruppen Kritik und Verbesserungsvorschläge jedes Einzelnen gesammelt werden sollten, sind viele nach Hause gegangen. Größtenteils die, die am lautesten geschriehen haben. Und die beschweren sich dann später, dass sie ihre Meinung nicht sagen konnten. Dazu fällt mir nichts mehr ein. Ist das einfach dumm? Oder typisch deutsche Mecker-Selbstinszenierung?

Die, die im Raum geblieben waren, sammelten unter anderem folgende Punkte:

    • sonntags sind die Kirchen schlecht erreichbar
      immer mehr Menschen arbeiten an der Siekhöhe, die aber schlecht angebunden ist
      kritisiert wurde die Ausdünnung im Ostviertel, besonders die fehlende Direktverbindung zum Bahnhof, weil viele Besucher der Jugendherberge mit dem Bus vom Bahnhof kämen
      eine Ringbuslinie wurde gewünscht, um innerhalb der Stadt schneller und ohne Umstieg unterwegs zu sein
      die Anbindung des Waldwegs wurde positiv aufgenommen
      die Hauptverkehrszeit sollte ausgeweitet werden
      heftig kritisiert wurde der Wegfall der Haltestelle Eichendorffplatz, dort könne man einkaufen, zur Bank usw., weshalb der Bereich infrastrukturelle Bedeutung habe
  • Zum Schluss verwies noch jemand auf die Sitzung des Bauausschusses am 5. Dezember, wo die Pläne dann der Poltik vorgelegt werden. Zur Stunde findet ein zweites Bürgerforum statt, dieses Mal in Weende. Und hoffentlich mit weniger Wut-Bürgern.

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    Kategorien: Deutsch, Göttingen, Veranstaltung

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