Unter diesem Motto fand am Dienstag, 11. September, in der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek Hannover eine Veranstaltung, bestehend aus Vorträgen und einer Diskussionsrunde, statt.
Auf Einladung der Bibliothek und ihres Freundeskreises waren zusammengekommen:
- Sebastian Sooth, der bei Wikimedia Deutschland e.V. (WMDE) als Projektmanager arbeitet,
- Christoph Meineke, Bürgermeister der Gemeinde Wennigsen (Deister) und bekennender Freund des Web 2.0, von Social Media und Bürgerbeteiligung,
- Claudia Wilholt-Keßling, Oberstudienrätin an einem Hannoveraner Gymnasium und Mitarbeiterin der medienpädagogischen Beratung des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ), sowie
- meines Erachtens doch erstaunlich viele interessierte Zuhörer, besonders auch aus den Reihen der Noch-nicht-Wikipedianer.
Nach begrüßenden und einführenden Worten des Leiters der Bibliothek, Dr. Georg Ruppelt, präsentierte zunächst jeder der Referenten seine Arbeit.
Sebastian Sooth stellte noch einmal dar, was der Unterschied zwischen Wikipedia und Wikimedia ist und welche Aufgaben Wikimedia Deutschland e.V. hat, nämlich insbesondere die Förderung freien Wissens, sowohl durch Bereitstellen einer Infrastuktur, aber auch konkret mit Unterstützung von Freiwilligen etwa beim Digitalisieren von alten Fotos und Büchern. Neben der bekannten Wikipedia betreibt Wikimedia noch eine Reihe weiterer Projekte, darunter mit Wikimedia Commons ein gigantisches Archiv freier Mediendateien, das freie Wörterbuch Wiktionary uns andere. Außerdem unterstrich Sebastian noch einmal, was »frei« dabei meint, nämlich eine Weiternutzung aller Art, auch kommerziell, wenn die entsprechende Lizenz, Creative Commons BY-SA, eingehalten wird, also der Name des Urhebers genannt und das Werk zu den gleichen Bedingungen weitergegeben wird.
Christoph Meineke war der nächste Redner. Er ist seit 2006 Bürgermeister der Gemeinde Wennigsen, 15 Kilometer südwestlich von Hannover gelegen. Mit ihren etwa 15.000 Einwohnern ist sie die zweitkleinste Gemeinde in der Region Hannover, bei Wikipedia ist sie jedoch vorne mit dabei. Der Bürgermeister höchstselbst ist Wikipedianer und schreibt gelegentlich Artikel über seine Gemeinde, um nach der Arbeit »zu entspannen«. Wennigsten biete einige Highlights, die man auch in der Wikipedia darstellen wolle, darunter die Wiedergründung der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg oder Wennigsen als Geburtsort des Berühmten Knigge.
Im Jahr 2011 hat Wennigsen erfolgreich am Foto-Wettbewerb Wiki Loves Monuments teilgenommen, bei dem Wikipedianer europaweit Kultur- und Naturdenkmäler fotografieren und in die Wikipedia einpflegen. Gezielt wurden Wennigser Bürger eingebunden und zum Mitmachen aufgefordert: Mitarbeiter des Heimatmuseums, Eigentümer der Baudenkmäler, Fotografen, und schließlich der Bürgermeister selbst engagierten sich und machten mit. Ein professioneller Fotograf hat sogar einen Workshop zum Thema »Denkmalfotografie« angeboten. So wurde das Projekt ein voller Erfolg. Rund 300 Bilder wurden hochgeladen, neue Artikel zur Wennigser Geschichte verfasst und – ein nicht unwesentlicher Punkt – neue Autoren für Wikipedia gewonnen. Meineke erzählte, dass zu vielen der Denkmale selbst der Gemeindeverwaltung keine ausführlichen Informationen vorlägen. Dank Wikipedia müssten nun nicht mehr alte Denkmalkarten aus den Archiven gesucht werden, auf denen nur wenige Informationen handschriftlich in eine gestempelte Vorlage geschrieben und mit einem Schwarzweißfoto ergänzt sind. Stattdessen könne nun jedermann gut aufbereitete und bebilderte Artikel in Wikipedia finden.
Claudia Wilholt-Keßling ist Lehrerin und Mitarbeiterin des Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung. Sie stellte ein Projekt vor, das Wikipedia und Schule näher zusammenbringen soll. Schüler nutzten die Wikipedia häufig sehr unreflektiert. Sie seien der Meinung, es genüge, zur Vorbereitung auf ein Referat oder bei Nachschlage-Aufgaben, den entsprechenden Wikipedia-Artikel lediglich auszudrucken und mitzubringen oder die Inhalte 1:1 zu übernehmen. So würden die Texte kaum tatsächlich gelesen. Das Projekt stellt sich nun die Frage, wie das geändert werden kann. Dabei ist zunächst einmal eine Leseförderung wichtig. Die Schüler müssen lernen, mit dem Medium Wikipedia kritisch umzugehen. Langfristig soll dieser Reflexionsprozess in eigener Artikelarbeit münden. Dadurch findet eine intensive Auseinandersetzung mit einem Thema statt und die Schüler erarbeiten Inhalte selbst, was auch im Sinne der Lernforschung ist. Darüber hinaus sieht Claudia in der Schule eine Möglichkeit, auch Mädchen zur Mitarbeit zu bewegen und so das fatale Defizit weiblicher Autoren bei Wikipedia (die etwa 10 Prozent ausmachen) zu verringern. Dabei muss jedoch eine kleinschrittige Progression eingehalten werden: Zuerst sollten die Schüler kleine Ergänzungen und Änderungen vornehmen, bevor sie dann Bilder einbinden oder gar eigene Texte schreiben. Unterstützt von WMDE und dem Kulturinisterium Niedersachsens und begleitet von Prof. Dr. Silke Grafe, Unterrichtsforscherin in Bochum, findet das Projekt als Modellversuch an fünf Schulen in Hannover statt.
In der anschließenden Diskussion kamen im Wesentlichen zwei Fragen auf:
- Was können Personen tun, die sich plötzlich in der Wikipedia wiederfinden, womöglich gar mit falschen Angaben über sie? – Hier wurde darüber diskutiert, ob eine lebende Person es absegnen muss, in Wikipedia zu erscheinen. Das wurde mit Hinblick auf die so genannten Relevanzkriterien verneint, die als Filter dienen sollen, damit nur Personen mit einem gewissen Mindestwert an öffentlichem Interesse in Wikipedia erscheinen. Ärgerlich sind falsche Angaben natürlich trotzdem immer und müssen – mit Belegen – geändert werden.
- Zweitens: Warum Wikipedia und nicht ein privater Blog oder eine Website? Die Antwort des Bürgermeisters machte das Potenzial des Projekts deutlich. Eine Gemeindeverwaltung könne gar nicht leisten, was etwa der Fotowettbewerb Wiki Loves Monuments leiste. Außerdem könne man mittels Wikipedia besser herausfinden, für was sich eigentlich die breite Bevölkerung interessiert. Anhand der Zugriffsstatistiken sei es möglich, das Interesse an einzelnen, auch ganz spezischen Themen abzufragen.
Insgesamt war die Veranstaltung gelungen und war hoffentlich in der Lage, einige der Anwesenden zu begeistern und dazu zu bringen, ihr Wissen bei Wikipedia einzubringen.